Von der Wiener Gstättn zu den Indianern
Gepostet am 19. Jun. 2020 in Solidarisches Tagebuch | 1 KommentarAlexander Buschenreiter mit Martin Gashweseoma. Der Hopi-Elder war der Hüter der Feuerclan-Steintafel und der Sprecher der Hopi-Delegation, die am 22. November 1993 im Rahmen der UN-Konferenz „Cry of the Earth“ („Aufschrei der Erde“) in New York zu Wort gekommen ist. Foto: A.B.
Buchautor Alexander Buschenreiter am Weg der Hopi
von Hans Bogenreiter
Zwar führte der Reiter im Nachnamen einige Male zu Verwechslungen, aber meine über dreißig Jahre währende Verbindung mit Alexander Buschenreiter besteht in erster Linie im Austausch und in Zusammenarbeit über Anliegen von indigenen Völkern. Darüber hinaus eint uns auch die Fertigkeit des Sensenmähens und eine mehrmalige Neuorientierung im Leben. Ein Kuraufenthalt des Autors in Bad Mitterndorf-Heilbrunn im steirischen Salzkammergut führte mich im Frühjahr 2019 zu einem Wiedersehen mit Alexander, der dort seit vielen Jahren praktisch um die Ecke lebt. Seit rund 40 Jahren pflegt Alexander Buschenreiter einen solidarischen Austausch mit Angehörigen von First Nations, also Ethnien, die schon lange dort lebten, bevor europäische Abenteurer den Kontinent „entdeckten“. Diese Kontakte brachten eine große Wende im Bewusstsein des vierfachen Vaters mit sich: „Die Begegnung mit den Hopi- Indianern hat mein Leben maßgeblich beeinflusst und verändert, mich bestärkt, den Weg des Herzens und der Verantwortung für das Leben zu gehen“.
Von der Wiener Gstättn zum ORF
Im Sommer 1945 in Wien geboren, ist Alexander Buschenreiter durchaus noch als Kriegskind zu sehen. Seine mit ihm schwangere Mutter erlebte die letzten Kriegstage oft voller Angst in Wiener Luftschutzkellern und im Flakturm-Bunker im Augarten. Er entstammt einer armen Wiener Arbeiterfamilie, seine Mutter musste ihren erlernten Beruf als Schneiderin wegen Augenproblemen schon früh aufgeben, fand eine Zeit lang eine Tätigkeit als Hilfsarbeiterin, sein Vater verdiente als Friseur ebenfalls wenig.
Seine Kindheit sieht Alexander im Rückblick jedoch als sehr bereichernd und geborgen. Vor allem das Aufwachsen in einer grünen Idylle der Großstadt, die nun schon in Vergessenheit geraten ist und für die heutige Stadtbevölkerung anachronistisch wirkt. Dort, wo sich heute im 20. Bezirk ein riesiger, asphaltierter Busabstellplatz befindet, stand im Hinterhof eines Landgasthofs die Baracke und ein kleiner Wohnwagen der Familie, ohne Wasser- und Stromanschluss. Die Siedlung mit weiteren Wohnwagen und einem kleinen Wohngebäude grenzte an einen Bahndamm der Nordwestbahn, eine Wiesen- und Buschgstättn und einen Privatgarten mit Obstbäumen. Katzen, Hunde und Hendln liefen frei herum; die Kinder, die dort aufwuchsen, hatten ideale Spielmöglichkeiten im Freien.
Alexander (rechts) mit Cousin Erwin, Familienbaracke, Fotos: A.B. privat
Auch der Musiker und Schriftsteller Martin Kubaczek, der im Überschwemmungsgebiet der Donau in Jedlesee aufwuchs, bezeichnete das Gebiet als Wildnis. Ein ideales, prärieähnliches Gelände für Heranwachsende zum Indianerspielen? Es mag erstaunen, aber der junge Alexander hatte damit überhaupt nichts am Hut. Auch Karl May, mit dessen erfundenen Geschichten so viele spätere Indianerfreaks aufgewachsen waren, hatte er nie gelesen. Eines seiner Lieblingsbücher war „RIKKI. Die abenteuerliche Geschichte einer kleinen Maus“ von E.B. White, das ihm seine Eltern zu Weihnachten 1951 geschenkt hatten. Angeregt durch die nahe Autowerkstatt von Studebaker interessierte sich Alexander schon früh für Autos und Technik. Mit 12 Jahren baute er seinen ersten Detektorempfänger, um vor allem nachts Radio auf Mittelwelle zu hören. Geborgen in einem liebevollen, weltoffenen Elternhaus, das mit seiner Naturverbundenheit sein positives Weltbild ebenso wie die Schwester seiner Mutter und ein Jugendkaplan prägte, war er der Religion der Nächstenliebe verbunden.
Alexander (Mitte) mit Eltern, Cousine & Cousin, Tante Hedi (links) und Hund Prinz, Foto: A.B. pr.
Nach der Übersiedelung in eine Hausmeisterwohnung in Oberdöbling begann er eine kaufmännische Lehre im Radio- und Fernseheinzelhandel der Firma Veritas Film und Ton in der Wiener Innenstadt und schloss sich der katholischen Arbeiterjugend an. In der Reparaturwerkstatt des Unternehmens (das es in Linz noch immer als Verlag und Buchhandlung gibt), lernte er ebenso dazu wie im firmeneigenen Tonstudio, wo er sozusagen nebenbei zum Tontechniker heranwuchs und allmählich die Produktion der Ärztlichen Tonbandzeitung übernahm. Im Zuge der rasanten Entwicklung der Medienwelt ist diese damalige Neuerung mittlerweile fast völlig in Vergessenheit geraten. Für Alexander bedeutete sie aber den Beginn seiner Begeisterung für das Medium Tonband und Schallplatte zur Tonaufzeichnung und -wiedergabe, nachdem er bereits ausdauernder Radiohörer war.
Alex ist noch immer Tontechniker…Foto: Jaqueline Korber
Schon vor dem Lehrabschluss hatte sich Alexander aufgrund prägender Erlebnisse entschlossen, katholischer Priester zu werden: Er trat nach bestandener Lehrabschlussprüfung in Horn in das Canisusheim für Spätberufene ein und besuchte dort das Aufbaugymnasium. Nach bestandener Matura wurde er Novize im Orden des hl. Franz von Sales. Nach dem Noviziat begann er sein Studium an der Katholischen Universität und der Pädagogischen Hochschule in Eichstätt in Oberbayern. Ihm gefielen die spirituellen Erkenntnisse des Ordensgründers und das Zusammenleben der Patres und Brüder: Christsein im Alltag heißt Tugenden wie Demut, Sanftmut, Geduld, Herzlichkeit, Optimismus pflegen und sich um seine Mitmenschen kümmern. Franz von Sales orientierte sich an den biblischen Worten von den lebendigen Dingen der Welt, sie sollen Früchte tragen, ein jedes nach seiner Art (Gen 1,11). Jeder ist dazu berufen, seine Frucht zu bringen. Alexander widmete sich dabei der sozialen Frage, speziell der Jugendsoziologie und blieb im Rahmen des Ordens in der Jugendarbeit aktiv. Dabei schlichen sich aber auch erste Zweifel ein, als die Öffnung der Kirche nach dem II. Vatikanischen Konzil wieder rückgängig gemacht wurde. Er stand dabei in intensivem Austausch mit einem Mitbruder der Franziskaner und einer Nonne, die ebenfalls in Eichstätt studierten. Sie lehnten vor allem die vermeintliche biblische Anweisung „Macht euch die Erde untertan“ und die wieder erstarkende konservative Praxis der katholischen Kirche ab und stießen dabei auch auf die ursprüngliche Bedeutung dieses Satzes im Hebräischen: „Stelle beide Füße auf die Erde und richte dich auf.“ Letzten Endes führte diese Entdeckung – in ihren Augen ein Übersetzungsfehler, der die Kirche und damit auch einen Gutteil der Menschheit eine falsche und fatale Richtung einschlagen ließ – bei Alexander zum Entschluss, den Orden zu verlassen und später auch aus der Kirche auszutreten. Aktueller Querverweis: Während Papst Franziskus mehrmals vehement die Ausbeutung und Zerstörung der Schöpfung beklagte, feiert Brasilien mit dem Abfackeln großer Regenwälder gerade eine fatale, feurige Wiedergeburt der umstrittenen Aussage in der „Heiligen Schrift“. Aus der Sicht der evangelikalen Kirchen ist Franziskus links. Er will mit seiner Umweltenzyklika die Erde nicht mehr antasten, kritisiert die brasilianische Frauenministerin und Pastorin Damares Alves, dabei stünde doch in der Bibel: „Macht Euch die Erde untertan.“ (Quelle: Artikel „Bolsonaros religiöse Vorarbeiterin“ in Wiener Zeitung, 18.8.2019).
Alexander störte Vieles, was aus der Lehre Jesu in den kirchlichen Institutionen gemacht worden war. Sein Abschied wurde jedoch von den Ordensoberen nach einem abschließenden Gespräch voll und ganz akzeptiert. Am Weg des Herzens, der Anteilnahme, am sozialen Gedankengut wollte er sich weiter orientieren und so trat er in München der katholischen „Integrierten Gemeinde“ bei, die in mehreren Wohngemeinschaften zusammenlebte und sich an einer modernen Auslegung der Hl. Schriften orientierte. Er setzte sein Studium der Soziologie fort und arbeitete abends und nachts als Tonassistent für Schallplattenaufnahmen in den zwei größten Münchner Tonstudios (u.a. für Klaus Doldinger, Georgio Moroder und Mary Roos sowie Playbacks für TV-Produktionen wie „Der Goldene Schuss“ mit Vico Torriani und Marika Rökk). Schließlich brach er das Studium ab, arbeitete als Verkäufer im Radiogroßhandel und zuletzt als Einkäufer und Lagerverwalter in einer der Fabriken von Mitgliedern der Integrierten Gemeinde. Für eine davon im Allgäu erhielt Alexander das Angebot, die Geschäftsführung zu übernehmen. Nach langem inneren Kampf lehnte er ab, da er ein Lehramtsstudium aufnehmen wollte, um wieder mit Jugendlichen arbeiten zu können. Daraufhin wurde er aus der Gemeinde ausgeschlossen. Alexander ging zurück nach Österreich und studierte in Salzburg für das Volks- und Hauptschullehramt, daneben Politik- und Kommunikationswissenschaften, schloss mit den Lehramtsprüfungen ab und unterrichtete ein Jahr in Bürmoos an der Hauptschule in Deutsch, Geschichte und Geografie, dann drei Jahre lang in Grödig, dazu im Polytechnischen Lehrgang. Einer seiner Schüler dort war Harald Krassnitzer, dem, so der nunmehrige Schauspieler, Alexander die Schulangst genommen und Krassnitzer inspiriert hat, seinen eigenen Weg zu gehen. Parallel zum Studium und zur Pädagogik arbeitete er weiter als Tontechniker beim ORF, u.a. für TV-Reportagen über die Salzburger Festspiele und begann selber Interviews für eine Schulfunksendung von Herbert Lenobel (u.a. Sprecher von „Das Traummännlein ist da“) nach Wien zu schicken. Er schrieb für die Arbeiterzeitung und den Kurier über Jugend- und Bildungsthemen und übersiedelte 1977 nach Wien, nicht ohne sich schwerzen Herzens von den SchülerInnen seiner beiden Klassen zu verabschieden. Der Grund: Der ORF hatte völlig überraschend bereits ab Herbst sein Konzept einer neuen Sendereihe namens „Schulreport“ angenommen, zu der später noch das „Elterngespräch“ kam. Alexander begann auch in der Ö3-Musicbox u.a. mit Wolfgang Fellner zu moderieren und Beiträge zu gestalten, bald auch in Ö1 für die Wissenschaftsredaktion und in der TV- Jugendsendung Ohne Maulkorb und der TV-Familiensendung WIR. Schließlich entwickelte er mit Kollegen das Konzept eines neuen TV-Jugendformats für den ORF, das mit ihm als erstem Chef vom Dienst unter Peter Hofbauer mit Vera Russwurm zum wöchentlichen OKAY wurde. Über ein Jahr später kündigte er aber: Er stieg aus dem Hamsterrad aus und wollte neben einer seiner Radioreihen eine kreative Pause machen, nur mehr freiberuflich tätig sein, bereit für neue Herausforderungen, wobei zusammen mit einer Entwicklungshelferin eine Sendereihe über die Mayas geplant war. Es kam aber anders.
Wie das Leben so spielt…
Die Hinwendung Alexanders zu den nordamerikanischen Indianern war einem reinen Zufall geschuldet. Eine Abiturientin aus dem Allgäu, die ihm in seiner Schaffenspause 1980 am Mondsee über den Weg lief, berichtete ihm über deren Situation und Lebensweise. Er begann Literatur über die First Nations wie ein Schwamm aufzusaugen und stieß darunter auf einen Artikel über die Hopi in Arizona: „Da sah ich Parallelen zur christlichen Urgemeinde, die mich schon immer fasziniert hat und ich wollte herausfinden, wie es den Hopi heute geht und ob sie eine Botschaft an uns haben.“ Es folgte eine intensive Vorbereitung und 1981 der erste Flug in die USA. Gebrieft mit guten Tipps des bayerischen Indianerexperten Claus Biegert besuchte Alexander zunächst die Mohawks im Nordosten, dann die Hopi im Südwesten. In Santa Fe in New Mexico traf er auch den österreichisch-ungarischen Karikaturisten und Publizisten Richard Erdoes, der sich für indianische Rechte und Spiritualität einsetzte und eng mit den Lakota zusammenarbeitete. Alexander wurde von ihm bestärkt, einen ähnlichen Weg zu gehen. Nach seiner Rückkehr nach Wien vermittelt er Claus Biegert zur Radiosendung Von Tag zu Tag und organisiert einen Diavortrag von ihm. An diesem Abend entsteht die Arbeitsgruppe Indianer Heute, aus der sich auch die österreichische Sektion der Gesellschaft für bedrohte Völker und später der Arbeitskreis Indianer Nordamerikas formierte. Alexander, seine Frau Angela und deren Freunde Mathias Neitsch, Roman Schweidlenka und Wolfgang Rehor wollten sich aber auf die Anliegen der Hopi und die Konsequenzen für uns daraus konzentrieren und gingen mit dem Arbeitskreis Hopi einen eigenen Weg, der sie schließlich auf einen unbewohnten, kleinen Bauernhof im steirischen Salzkammergut führte.
Der Grimming, Hausberg in Alexanders neuer Heimat, Foto: A.B.
Es folgen zahlreiche Diavorträge Alexanders über die Hopi im deutschsprachigen In- und Ausland, zwei ORF- und RAI-Hörfunkserien, drei Bücher, Artikel im Kurier, der Kronenzeitung und in Magazinen. Parallel dazu organisiert und betreut der Arbeitskreis Vortragstourneen des Sprechers der Hopi in Österreich und Bratislava, vermittelt in die Schweiz und nach Deutschland, verfasst Petitionen für einen Auftritt der Hopi in der UNO- Generalversammlung und stellt Kontakte zu Politikern her. Auf diese Weise gelang es Alexander Buschenreiter aufzuzeigen, dass uns mit den Indigenen Nordamerikas immer stärker die gemeinsame Sorge um den Fortbestand der Erde und ihrer Lebewesen verbindet. Die folgende Aussage steht mit Bedacht am Schluss: „Die Begegnung mit den Hopi-Indianern hat mein Leben verändert und mich bestärkt, den Weg des Herzens und der Verantwortung für das Leben zu gehen. Die Friedensbotschaft der Hopi, ihre Warnungen und Appelle zum Erhalt des Lebens sind aktueller denn je.“
Mit dem Hopi-Sprecher Thomas Banyacya Sr. (1909-1999) tauschte sich Alexander Buschenreiter über viele Jahre hinweg aus. Er erzählte ihm 1981 die autorisierte Fassung der Botschaft der Hopi, die Buschenreiter im Buch „Unser Ende ist euer Untergang“ veröffentlichte. Als er 2011 zum siebenten Male die Hopi besuchte (Bericht auf www.solidarische-abenteuer.at) wurde er von Sandstürmen empfangen, wohl auch eine Folge von Klimaänderungen. Fotos: A.B.
Hopi: Der Weg des Herzens
Die wahren Hopi behüten das heilige Wissen über den Zustand der Erde, denn die wahren Hopi wissen, dass die Erde eine lebende / sich entwickelnde Person ist / und dass alle Dinge darauf ihre Kinder sind. Aus der Friedenserklärung der Hopi
UNSER ENDE IST EUER UNTERGANG
Die Botschaft der Hopi an die Welt, aktualisierte und erweiterte Neuausgabe, Authal Verlag 2018, erneut aktualisierte und ergänzte 2. Auflage 2020; Autor: Alexander Buschenreiter, 328 Seiten, Softcover mit Flappen, s/w Abbildungen, Grafiken, € 15,40 ISBN 978-3-9504211-3-2
1948, Arizona, USA: Erstmals kommen die Elders aller Dörfer der Hopi-Indianer zusammen, um angesichts bedrohlicher Entwicklungen ihre prophetischen Anweisungen und Warnungen auszutauschen und über deren Folgen zu beraten. Es ist die Geburtsstunde der Wiederbelebung indianischer Identität und einer Bewegung zum Schutz von Land und Leben, die mithilfe der Irokesen seit den späten 60ern über die Hippies, Medien und Alternativbewegungen auch Nichtindianer weltweit erfasst. Und die Bewegung lebt: Heute, über 70 Jahre später, in Form von Protestcamps und Initiativen, die sich gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen richten – und überall dort, wo Menschen Verantwortung füreinander und ihren Lebensraum übernehmen.
Am Beispiel der Hopi (die als „Volk des Friedens“ gelten und vom 14. Dalai Lama als „die wahren Hüter des Gleichgewichts der Erde“ bezeichnet werden), der Mohawks, der Lakota und des Indianischen Ältestenrats vermittelt dieses Buch das Grundmuster einer lebensbejahenden, spirituell-ökologisch orientierten Lebensweise, die auch „Die indianische Alternative“ genannt wird. Sprecher der Hopi, der Lakota-Vertraute Richard Erdoes, Vertreter der Irokesen, des Indian Law Resource Center, der Medizinmann Phillip Deere und der Indianische Ältestenrat kommen ausführlich zu Wort.
Karin Halbritter (Verlagsinhaberin von Authal) und Alexander Buschenreiter präsentieren die Neuausgabe des Bestsellers „Unser Ende ist euer Untergang“ im März 2018. Foto: A.B. privat
35 Jahre nach der Erstausgabe sind die Warnungen der Hopi traurige Realität geworden: Ein nahender Klimakollaps, nukleare Katastrophen und die fortschreitende Verseuchung und Vernichtung unserer Lebensgrundlagen zeichnen diese Jahrzehnte im Anthropozän (Zeitalter des Menschen) aus. Die aktualisierte und erweiterte Neuausgabe warnt eindringlich davor, diesem Irrweg weiter zu folgen, zeigt aber auch sehr anschaulich einen hoffnungsvollen Weg des Herzens und des Friedens. Nach der mündlichen Überlieferung der Hopi beginnt in naher Zukunft das fünfte Zeitalter, da Prophezeiungen zum Ende der vierten Welt bereits eingetreten sind: mit dem „Kürbis voll Asche“ wurde die Atombombe gedeutet, „das Haus aus Glas“, wo sich die Völker treffen als das UN-Gebäude in New York und die ISS-Raumstation als „das Haus am Himmel“. Laut ihren Überlieferungen kommt es zu einer Zeit großer Umwälzungen, wenn die Menschheit ihren raubbauenden, zerstörerischen Kurs beibehält. Nur Menschen, die es nicht verlernt haben, mit der Natur zu leben, würden überleben. Mehrfache Versuche der Hopi, im Weißen Haus vorzusprechen und vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen ihr Wissen weltweit zu teilen wurden ignoriert. Der Auftrag, mit der westlichen Kultur in Dialog zu treten, ist ebenfalls Teil ihrer Überlieferung.
Die Erde warnt uns – es gibt eine Alternative
von John Mohawk
Die Indianer haben das prophezeit – das Kommen einer Zeit des Zusammenbruchs des Westens … Die Zukunft – auf lange Sicht gesehen – sieht sehr erschreckend aus …Es ist nicht unmöglich, dass Leute leiden werden, weil die Sozialprogramme scheitern, weil die Wirtschaftsprogramme scheitern, weil vielleicht das ganze Wirtschaftssystem scheitert. Und eine Alternative dazu, die einzige Alternative, die jemals von Menschen erfolgreich durchgeführt wurde, ist, dass Gesellschaften geschaffen werden, die viel weniger Energie, viel weniger von allen Dingen verbrauchen.
Aber sie müssen auf einer Reihe von Glaubenshaltungen und Voraussetzungen gegründet werden, auf menschliche Gemeinschaften, die nur mit dem indianischen Begriff von Spiritualität definiert werden können …
Wir sprechen hier nicht über das Christentum des 4. oder des 5. Jahrhunderts.Wir sprechen nicht über ein System, das Feudalismus oder Kapitalismus aufrecht erhält, wie wir es kennen. Wir sprechen über einen Weg für Menschen, in Verwandtschaft mit der Natur, dem Land und in gegenseitiger Verwandtschaft miteinander zu leben …
Wenn man die Indianer über eine spirituelle Beziehung sprechen hört, dann meinen sie nicht, in die Kirche zu gehen, niederzuknien und zu beten, sondern sie reden davon, eine echte Beziehung zur Nahrung, die sie essen, zu haben, zum Wasser, das sie trinken, und zum Haus, in dem sie leben, zu den Leuten um sie herum.
Sie sprechen von einer sozialen Struktur. … Der spirituelle Weg der Hopi ist eine Gesellschaftsform, nicht ein gedanklicher Zustand; er ist gesellschaftliche Realität. Sie sagen: „Wir müssen zum Weg der Spirits zurückkehren.“
Aus: Alexander Buschenreiter, „Unser Ende ist euer Untergang. Die Botschaft der Hopi an die Welt“, Authal, 2. Aufl. 2020. Das Zitat stammt aus dem Jahr 1981.
Der Schriftsteller, Philosoph, Historiker und Aktivist John Mohawk (30. August 1945 – 13.Dezember 2006) gehörte zum Turtle-Clan der Seneca im Cattaraugus Indianerreservat im westlichen Bundesstaat New York. Er absolvierte das Hartwick College 1967 mit einem Bachelor of Arts in Geschichte und promovierte zum Doktor der University of Buffalo. Er wurde Universitätsdozent für indianische Philosophie und Geschichte und widmete sich dem Aufbau einer Mais-Saatgutbank. Alexander Buschenreiter besuchte ihn und Tom Porter 1981 als John Mohawk Chefredakteur der damals bedeutendsten indianischen Zeitung, der „Akwesasne Notes“ war. John Mohawk war ein bedeutender Visionär der sieben Nationen der Irokesenkonföderation. Er nahm eine außerordentlich wichtige Rolle ein bei der Gestaltung der intellektuellen Brücke der traditionellen indianischen Bewegung zur nationalen und internationalen Gemeinschaft.
Wiederholt hat Alexander den Besuch von indianischen Persönlichkeiten in Österreich ermöglicht. So war er auch an der Organisation der Veranstaltung mit Tom Porter (am Plakat mit seinem Sohn Aroniennens) im Mai 2019 beteiligt. Tom Porter ist Mitglied des Bärenclans der Mohawk-Nation von Akwesasne im Norden des Bundesstaates New York. Die Mohawks sind die heute größte Nation der Haudenosaunee („Leute des Langhauses“), meist Irokesen genannt.
Weitere Bücher von Alexander Buschenreiter (antiquarisch und in Bibliotheken verfügbar): „MIT DER ERDE – FÜR DAS LEBEN. Der Hopi-Weg der Hoffnung“, Verlag Hermann Bauer, „SPUREN DES GROßEN GEISTES. Indianische Weisheit der Gegenwart“, Lamuv-Verlag
Wetterveränderungen, Erdbeben, Baumsterben –
die Krankheitssymptome dieses lebenden Körpers namens Erde sind eigentlich für jeden sichtbar. Doch ihr wendet euch ab, ohne zu begreifen, dass ihr zu dem kranken Körper gehört. Ihr seht und hört nicht die Botschaft der Erde, aber ihr folgt den Botschaften des Fernsehens. TV ist ein Bestandteil eurer Realität geworden. Eure Politik ignoriert die Erde. Ihr vergesst die Generationen, die nach euch kommen, und schafft euch eine Umwelt, die eurer Raumfahrt-Fantasie entspricht. Der moderne Mensch ist das Produkt der Umwelt, die er sich geschaffen hat. Sonne und Wind, Bestandteile der heute ignorierten Realität, werden in Zukunft die Lebensqualität auf eine neue Art bestimmen. Vielleicht muss unsere gegenwärtige Zivilisation, die sich auf das Verbrennen fossiler Brennstoffe stützt, erst zusammenbrechen, bevor der moderne Mensch erwachsen wird.
Auszug aus „Botschaft an die Europäer“ von John Mohawk, aufgezeichnet von Claus Biegert, übersetzt von Frank H. Stuckert, Broschüre, herausgegeben von Incomindios Schweiz 1987.
Alexanders vielseitiges & kreatives Leben
Der gegenüber Menschen, die sich in anderen Kontinenten, für andere Völker engagieren, manchmal geäußerte Vorwurf, sie würden damit zu wenig für ihr eigenes, heimatliches Umfeld tun, geht bei Alexander mitsamt seiner Familie völlig ins Leere. Er war 1995 mit seiner Frau Angela Initiator und engagierter Mitarbeiter vom Jugendkulturprojekt MOVE!, das sich von 2001 – 2015 zu iMPULS Aussee/BÜHNE Authentic weiter entwickelte.
Bei der Präsentation des Buches „Unser Ende ist euer Untergang“ am 10. Mai 2019 in Bad Mitterndorf begeisterten Alexanders Tochter Ronja (Gesang) und Schwiegersohn Pavel (Violine, Mandoline) mit wunderschönen Interpretationen indianischer Musik. Foto: H.B.
Durch Landesförderungen konnte unter der Projektleitung von Angela Buschenreiter und der Geschäftsführung und Mitarbeit von Alexander ein umfassendes Angebot für Jugendliche und junge Erwachsene umgesetzt werden: mobile Beratung, Workshops und 18 Bühnenproduktionen mit Hip Hop und Breakdance-Choreos, teils mit kabarettartigen, gesellschaftskritischen Szenen, immer mit Gesang und Musik. Dank einer finanziellen Unterstützung durch die Stadtgemeinde Bad Aussee war es möglich, zentral gelegene Räume anzumieten und durch zusätzliche Fördergelder vom Sozialhilfeverband Liezen konnte die Tätigkeit auf das steirische Salzkammergut und das Ennstal im Bezirk Liezen erweitert werden.
Ensemble „die butterlosen brote – mehr als theater“ 2019 mit Fam. Buschenreiter, F.: Theresa Schlag
Die bereits legendären Shows von iMPULS Aussee begeisterten nicht nur im Kurhaus Bad Aussee, im CCW Stainach und im Kulturhaus Liezen, sondern auch im Rockhouse Salzburg, im Theater Akzent und im OFF-Theater in Wien. „Wir danken allen, die an uns geglaubt und uns in diesen zwanzig Jahren unterstützt haben. Insbesondere danken wir den jungen Menschen, die uns ihr Vertrauen geschenkt und mit uns zusammengearbeitet haben. Wir
wünschen ihnen, dass sie ihre Kreativität erhalten und – so wie wir selber – etwas aus dieser gemeinsamen Zeit für ihr weiteres Leben mitnehmen“, formulierte Angela Buschenreiter für das Team von iMPULS Aussee gegenüber der Wochenzeitung meinbezirk.at.
Die Familie Buschenreiter beteiligte sich auch am Aufbau eines Bienen-Schaugartens und organisierte jährliche Bienenfeste in Bad Mitterndorf. Sie engagiert sich für den Erhalt der biologischen Vielfalt, die auch in dieser noch weitgehend intakt erscheinenden Gebirgsregion bereits stark gefährdet ist. 2016 gründen beide mit überwiegend langjährigen Mitwirkenden in Produktionen von iMPULS Aussee/BÜHNE Authentic das Ensemble „die butterlosen brote – mehr als theater“ zur Einstudierung von bisher zwei neuen Bühnenstücken von Angela Buschenreiter, die u.a. im CCW Stainach und im Souterraintheater des Café Prückel in Wien aufgeführt wurden. Abbildung rechts oben: Kräuterensemble, Foto: A.B.
Fragen & Antworten
HB: Was auffällt, die Lebensweisen der First Nations gründen sich auf den Respekt vor dem Leben und der Natur. Frauen sind da führend vertreten, wie z.B. Mary und Carrie Dann, Janet McCloud, Winona LaDuke). Bei den Hopi treten aber Frauen nach außen kaum in Erscheinung. Worauf gründet sich diese Haltung?
AB: Ich kann es mir nur so erklären, dass bei den Hopi die Männer für die Zeremonien und im Rahmen dessen auch für die Weitergabe der mündlichen Tradition verantwortlich sind und deshalb auch nach außen aktiver als die Frauen. Die Frauen verfügen über das Land und das Haus und haben dadurch eine andere, ausgleichende Position. Unterschiede gibt es allerdings, wenn eine Frau zur Kikmongwi wird, wie Mina Lansa in den 1960er/70ern. Dann tritt sie auch als Frau nach außen auf. Außerdem sind die Frauen im Herbst mit dem „Korbtanz“ öffentlich präsent, nehmen im Sommer an der „Heimkehrzeremonie“ und dem „Schmetterlingstanz“ teil. In Krisenzeiten haben sich allerdings auch Elders wie Carolyn Tawangiouma aus Hotevilla und andere öffentlich zu Wort gemeldet.
HB: Gibt es nun auch Covid 19-Erkrankungen bei den Hopi und anderen First Nations?
AB: Leider ja, wobei die Navajo als größte und die Hopi umschließende indianische Nation am .meisten davon betroffen sind. So waren z.B. am 7. Mai 2020 2757 Navajo positiv getestet und 88 an Covid-19 verstorben, bei den Hopi 52 positiv und 4 verstorben. Siehe Link: https://navajotimes.com/ cocoronavirus-updates/covid-19-across-the-navajo-nation/
HB: Ich erinnere mich an die 500-Jahres-Feierlichkeiten zur sogenannten Entdeckung Amerikas, die für die dort seit vielen Jahrhunderten lebenden Menschen mit Diskriminierung, Vertreibung, Genozid und Ökozid verbunden wird. Dort ist scheinbar ein Mythos verbreitet, der besagt, alle 500 Jahre drehe sich die Welt in eine andere Richtung. Ehrlich gesagt, habe ich das damals nicht ernst genommen. Angesichts der Ereignisse seither kann ich so einer Sichtweise doch einiges abgewinnen. Was meinst Du dazu?
AB: Da ist was dran, mehr weiß ich auch nicht. Allerdings werden unsere Korrekturmöglichkeiten immer geringer. Wir sind mitten in der letzten Phase vor dem Tag der Läuterung, wie ihn die Hopi bezeichnen, davon bin ich überzeugt.
HB: Es gab ja Ende März die Nachricht, dass die kanadische Regierung auf Grund der Ansteckungsgefahren den Indigenen des Landes empfohlen hatte, sich in abgelegene Gegenden zurückzuziehen. Lakonisch sollen sie geantwortet haben: „Kein Problem, es wurde uns ohnehin prophezeit, dass wir eines Tages in unsere ursprüngliche Heimat zurückkehren würden.“ Stimmt das?
AB: Ja, das machen auch Indigene anderswo, die noch ihre Wurzeln kennen und wissen, wie man ohne den Technik-Schnickschnack unterer Industriegesellschaften überlebt, hart, aber gut.
Kontakt und Infos, auch über die Hopi, andere Indigene und Buschenreiters Publikationen auf der Website http://www.impuls-aussee.at. Schlussbemerkung des Autors: Dank Alexanders Nachbearbeitung ist nun der vorliegende Text auch als (autorisierte) Biografie anzusehen.
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